Angehörige machen Geschichte(n) – Nie hätte ich gedacht, dass meine Ehe so enden würde

Nie hätte ich gedacht, dass meine Ehe so enden würde

Es fing alles so wunderbar an. Ich war sehr verliebt und er war ein toller Mann – charmant und gut aussehend. Wir verstanden uns von Anfang an gut. Nach einer Weile wurden wir ein Paar.

Mein (jetziger) Ex-Mann war beruflich ehrgeizig und gerade dabei, sich neu zu orientieren. Bereits nach einem halben Jahr begann es, dass er keine körperliche Nähe mehr zulassen konnte. Es waren auch keine Gespräche darüber möglich. Er sagte, er fühle sich unter Druck gesetzt. Körperliche Nähe konnte er die ganzen weiteren gemeinsamen Jahre nicht mehr zulassen. Ich wartete – viele Jahre – immer in der Hoffnung, dass es besser werden würde, wenn er beruflich angekommen sei und der Stress nachgelassen hat. Dies traf aber nie ein, denn mein Ex-Mann stürzte sich sehr in die Arbeit. Er war eigentlich immer überlastet und überfordert.
Mein Ex-Mann hatte frühe Traumatisierungen in der Kindheit durch seine Eltern erlebt. Eine Zeitlang war er bereit, zu einem Psychologen zu gehen und bekam auch eine Weile ein Antidepressivum. In dieser Zeit, als er die Medikamente nahm, war er zugänglicher und wesentlich entspannter. Aber er sah sich selbst nicht als „krank“ an und setzte die Medikamente bald wieder ab.

Es begann, dass er oft sehr wütend wurde. Meist auf Nachbarn oder Kollegen, die sich aus seiner Sicht nicht richtig verhielten. Er zeigte zunehmend zwanghafte Verhaltensweisen, insbesondere betraf das unsere gemeinsame Wohnung. Dort mussten die Dinge auf eine bestimmte Weise stehen und es sollte am besten 3 x täglich Staub gewischt werden. Mir war lange nicht klar, dass mein Mann sehr krank war. Ich schob es auf den Stress, wobei ich schon häufig versuchte, ihn dazu zu bewegen, sich therapeutische Hilfe zu holen. Dies lehnte er stets ab. Er sei nicht krank.

Ich wurde aber inzwischen krank und wurde gegen Depressionen behandelt. Nun fing es an, dass er – nach anfänglichem Verständnis – mich abzuwerten begann. Immer wieder stellte er es so dar, dass er der Starke, Gesunde sei und ich diejenige, die er ertragen müsse. Während der Pandemie war ich vermehrt im Homeoffice und der dann weniger vorhandene Abstand fiel meinem Ex-Mann sehr schwer. Ihm gefiel es nicht, dass ich mehr zu Hause war. Wir verstanden uns immer weniger. Mein Ex-Mann geriet immer mehr unter Druck, vielleicht auch, weil er beruflich neue Herausforderungen gesucht hatte. Er begann mich zu beschimpfen und bekam schließlich fast täglich schlimme Wutanfälle.

Neu war, dass nun ich (aus seiner Sicht) diejenige war, die Schuld war an der Situation und die Zielscheibe seines Zornes. Er redete manchmal stundenlang auf mich ein und gab erst Ruhe, wenn ich seinem Standpunkt zustimmte. Das Zusammenleben mit ihm wurde immer anstrengender für mich, da ich ständig aufpassen musste, was ich tat oder sagte, da alles seinen Unmut wecken konnte. Ich hatte inzwischen sogar große Angst vor ihm. Ich fühlte mich ausgeliefert, da wir ja in einer gemeinsamen Wohnung wohnten und ich nicht wusste, wohin ich hätte gehen können, um mich in Sicherheit zu bringen.

Schließlich vertraute ich mich meinem Bruder und meiner Freundin an. Die Beiden halfen mir, aus dieser Situation herauszukommen. Ich zog in einer Nacht- und Nebelaktion zu meiner Freundin. Ich hatte Angst, dass mein Ex-Mann, hätte er es mitbekommen, möglicherweise sogar gewalttätig geworden wäre. Ich sagte meinem Ex-Mann, dass ich Abstand brauche und auch nicht in den geplanten Urlaub mit ihm fahren möchte. Daraufhin kündigte er seinen Suizid an. Ich verständigte die Polizei, die ihn glücklicherweise rechtzeitig fand und ihn an den Sozialpsychiatrischen Dienst vermittelte. Dann war mein Ex-Mann mehrere Monate in der Psychiatrie. Erst dann erfuhr ich, dass er wohl eine Persönlichkeitsstörung hat. Noch während er in der Klinik war, sagte ich ihm, dass ich nicht in die gemeinsame Wohnung zurückkehren werde. Ich hatte große Angst vor ihm und seinen Wutanfällen.

Ich ging in eine Angehörigengruppe für Angehörige von psychisch Kranken und in eine Beratungsstelle für Beziehungsgewalt. Dort fand ich viel Hilfe und Unterstützung. Ich trennte mich von meinem Ex-Mann, ließ mich scheiden und wir verkauften die gemeinsame Wohnung. Leider konnte ich aus Sicherheitsgründen mich nicht mehr mit ihm treffen, es gab also auch kein klärendes Gespräch oder Ähnliches. All das wäre viel zu gefährlich gewesen. Mittlerweile beschimpfte mich mein Ex-Mann nur noch schlimm. Ich wusste aus der Vergangenheit, dass er zu Racheaktionen neigte und daher erfuhr er auch meine neue Wohnungsanschrift aus Sicherheitsgründen nicht.
Was ich sehr traurig finde, ist, dass wir nicht miteinander sprechen konnten. Aber die Therapeuten sagten mir, dass das nicht ginge, da mein Ex-Mann zu krank dafür ist. So muss(te) ich für mich diese Geschichte aufarbeiten. Glücklicherweise habe ich die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde und heute ein schönes neues Leben, in dem ich mich sicher fühlen kann.

von A. E.

Diese Geschichte wurde uns im Rahmen der bundesweiten Aktion „Angehörige machen Geschichte(n)“ zugesandt.

Kontakt: kontakt@angehoerige-im-mittelpunkt.de

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