Toxische Beziehung
Wie jedes junge Mädchen lernte ich irgendwann einen Mann kennen – die vermeintlich „große Liebe“. Wir heiraten ein Jahr später und begannen mit der Familienplanung. Wir bekamen 2 gesunde Jungs. Es war auf den ersten Blick alles gut, bis auf eine Sache…
Schon damals fiel mir auf, dass etwas anders war bei ihm. Er ging ungewöhnlich lange, umständliche Wege zu Fuß, um sein Wegeziel zu erreichen. Später merkte ich, dass es seine Zwangs- und Panikstörung war, seine überdimensionierte Angst vor Keimen und Abgasen. Auch litt er an Depressionen.
Mit Geburt der Kinder wurde das aber immer stärker ausgeprägt. Die Erlebnisse seiner traumatischen Kindheit kamen immer mehr zum Ausbruch und verschlimmerten seine psychische Erkrankung. Die Kinder bekamen ein Schal vors Gesicht, damit sie die Abgase nicht einatmen, sobald wir zu unserem Tiefgaragenparkplatz gingen. Und es wurde immer schlimmer. Wir parkten in Verbotszonen unseren PKW, damit der Weg zum Ziel möglichst kurz und nicht nach seinem Verständnis zum Krebs bzw. Tod führt. Er konnte zum Schluss im Winter nicht mal mehr die Kinder zur Schule fahren, da er Angst hatte, dass das Salz das Auto schlimm beschädigt. Er hat bis heute auch keine Krankheitseinsicht.
Trotz Berufstätigkeit leistete ich als Mutter immer mehr und er immer weniger. Ich sorgte dafür, dass unsere Kinder & ich weiterhin versorgt waren und die Kinder nicht unter der psychischen Krankheit des Vaters litten – aber irgendwann kippte das immer mehr ins Negative. Es wurde immer toxischer. Ich fühlte mich immer mehr ausgebrannt.
Verzweifelt schloss ich mich dann einer Selbsthilfegruppe für Angehörige psychisch Kranker an, wurde dort verstanden und konnte meine Sorgen etwas teilen. Das gab mir neue Kraft, durchzuhalten. Dafür bin ich noch heute dankbar. Meine Beziehung war aber nicht mehr zu retten. Sein Kontrollzwang & seine Aggressivität uns gegenüber wurden immer schlimmer. Wir hatten nur noch Streitgespräche. Er nahm dabei auch keine Rücksicht auf die Kinder. Dadurch litten auch diese immer mehr darunter.
Ich musste endlich handeln, auch gerade wegen den Kindern. Ich nahm nun allen Mut zusammen und zog heimlich mit den Kindern aus. Das war sehr, sehr schwer, aber letztendlich richtig, damit unsere Kinder & ich nicht auch noch psychisch erkrankten. Jetzt geht es uns gut. Die Kinder haben etwas Abstand und dennoch besuchen sie ihren Vater. Denn es ist und bleibt ihr Vater, den sie auf ihre Art auch weiter lieben, aber das geht eben nur mit gesundem Abstand. Ich selbst habe mich auch neu verliebt. Ich bin jetzt wirklich glücklich und freue mich über das gewonnene, unbeschwerte Zusammenleben mit meinen Kindern & neuem Partner.
von L.M.
Diese Geschichte wurde uns im Rahmen der bundesweiten Aktion „Angehörige machen Geschichte(n)“ zugesandt.
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