Angehörige machen Geschichte(n) – Unsere Geschichte für C.

star flying through the sky

Unsere Geschichte für C.

Nun ist es ein gutes Jahr her, dass Du gegangen bist. Ich vermisse Dich sehr!

Auch wenn die letzten Jahre sehr anstrengend waren, seit Deine Krankheit Dich wieder eingesammelt hat. Krankheit, Zustand? Ich glaube, Du hast es auch genossen, diese Energie, diese Musikalität, die Dich dann ergriffen hat. Aber es gab auch diese böse Seite…

Wir waren 18 Jahre und 5 Tage zusammen und haben zwei gemeinsame Kinder, dazu kommen noch drei, die wir schon mitgebracht hatten. Wir waren eine tolle Familie – meistens. Eine ganz normale Familie, vor allem. Das hat sich geändert, als Du Dich vor 5 Jahren verändert hast. In einen, den ich sehr gut kannte, und doch nicht mehr kannte.

Das war ohnehin schon schrecklich, aber wir hatten zu viele um uns herum, die es noch schrecklicher gemacht haben:

Deine Psychose Groupies, die Dich angefeuert haben, krank zu bleiben, weil sie es so sensationell fanden. Dich gar nicht mehr rauslassen wollten aus Deinem Schub, diese Pseudo-Heilerinnen. Die Ärzte und Kliniken, die Dich regelmäßig wieder weggeschickt haben, wenn Du Hilfe gesucht und gebraucht hast. Die Ämter, die nichts von Deinem Zustand verstanden haben, uns alle unter Druck gesetzt haben, uns nie unterstützt haben und vor allem nie mit uns kommuniziert haben. Dieses Schweigen. Dieses über uns reden und nicht mit uns.

Diese Sippenhaft: Die Angehörigen müssen ja irre sein, weil sie einen Irren in der Familie haben. Dabei haben wir uns alle so um Vermittlung und Klarheit bemüht.

Wir haben so viel ausgehalten und es ist ganz schön viel kaputt gegangen bei mir und unseren Kindern. Die ham Dich lieb, sind aber stinkewütend, dass Du sie verlassen hast. Versteh ich gut.

Ich glaube, das wäre anders gelaufen, wenn es da mehr Kenntnis gäbe und mehr Miteinander: Wenn sie mal mit uns und auch mal miteinander geredet hätten, die Ärzte, der SPDi, der KJPD, die Familienhilfe, das Jugendamt, das Gericht, der Krisendienst, deine Betreuer und wer da noch so alles um uns herum gespukt ist.

Mein Therapeut meinte damals zu mir, nachdem er sich das eine ganze lange Weile angehört hatte: Eigentlich sind die doch irre, nicht ihr. Da hat er recht.

Deine Krankheit hab ich immer eher als eine Art Naturkatastrophe wahrgenommen, schön war das nicht, aber was die vermeintlich Kompetenten da angerichtet haben, geht auf keine Kuhhaut und wirkt noch viel länger nach.

Es gab zwischendurch auch Lichtblicke und verständige Leute, beim ApK z.B., bei einer Klinikärztin und bei meiner Trauerbegleitung vom Krisendienst.

Und Du und ich – wir haben uns immer wieder gefunden – und sind zusammengeblieben. Als Du dann am Ende warst, war ich auch längst am Ende. Es war so ausweglos, ich wollte Deinen Schüben nicht ausgeliefert sein, und war doch fest eingebaut in Dein Wahnsystem.

Ich denke oft an unsere guten Zeiten, unsere tiefe Liebe, unseren Spaß, Dein Lachen, Deine Musik, die Cartoons die ich für Dich gemacht habe, unsere süßen und total fitten Kinder, Deine Stimme, Deine wuscheligen Haare, Deine Klugheit, Deine Schönheit, selbst wenn Du mal scheiße aussahst, unsere Ideen, Deine sehr besondere Art, die mir so fehlt, weil sie so einzigartig war.

Es war gut, dass Du Dich so innig und liebevoll von mir verabschiedet hast. So wirr, wie Du da schon wieder warst, die Einschläge kamen dichter…

Ich hab es gespürt, als Du gestorben bist. Ich hatte nicht damit gerechnet. Ob Du nicht mehr wolltest, konntest, nicht schon wieder Wahn, nicht schon wieder Klinik, obs die viel zu hoch dosierten Neuroleptika waren…

Es ist wie es ist. Jetzt bist Du auf Sirius und bei Frank Zappa und wir hier unten, die Welt dreht sich und wir kommen grad noch nicht so recht hinterher.

Schick mal was von Deiner Kraft und Wildheit zu uns runter, wir könnens brauchen! In Liebe, für immer,

Deine N.

von MataHari

Diese Geschichte wurde uns im Rahmen der bundesweiten Aktion „Angehörige machen Geschichte(n)“ zugesandt.

Kontakt: kontakt@angehoerige-im-mittelpunkt.de

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