Wie wirksam ist Selbsthilfe für Angehörige?
Psychische Erkrankungen kommen mal schleichend mal plötzlich daher und überfordern nicht nur die erkrankten Menschen, sondern auch ihr Umfeld. Fehlt dann auf Seiten der Betroffenen die Krankheitseinsicht oder die Einwilligung in eine Behandlung stehen die Angehörigen hilflos vor schier unlösbaren Problemen. Oft fühlen sie sich mit ihren Sorgen allein. Angehörige von Personen mit psychischen Erkrankungen sind nicht Teil des psychiatrischen Versorgungssystems. Die Behandlung läuft zwischen den erkrankten Menschen und ihren Behandlern ab. Angehörige finden wenig Unterstützung. Dabei haben sie in der Betreuung und Versorgung der erkrankten Familienmitglieder eine sehr wichtige Rolle. Intakte Beziehungssysteme unterstützen die Patientinnen. Wege e.V. ist Ansprechpartner, wenn durch psychische Erkrankungen oder Krisen nicht nur das Leben einer betroffenen Person sondern auch deren soziales Netzwerk aus der Balance gerät. Unsere Angebote reichen von der Unterstützung für Angehörige durch erfahrene Angehörige durch Einzelberatung, Selbsthilfegruppen, Workshops und Fachveranstaltungen. Ziel ist es, die eigene Position im Beziehungssystem zu stärken, sich besser abzugrenzen und für sich selbst zu sorgen. Selbsthilfegruppen arbeiten vertraulich. Wir hören einander zu, teilen unsere Erfahrungen. So vielfältig wie unser Leben sind auch die Strategien, mit denen wir Krisen meistern können. Unsere Gruppen sind offene Gruppen. Die Förderung der eigenen Resilienz ist ein wichtiges Anliegen. Jeder ist herzlich eingeladen in einer zugewandten, wertschätzenden Gemeinschaft Verständnis, Hoffnung und Zuversicht zu finden.
Mein Weg zum WEGE e.V.
Ich bin Gudrun, 1963 geboren. Als ich meinen späteren Ehemann kennen lernte, stand seine Diagnose „Schizophrenie“ bereits fest. Einen schweren Krankheitsverlauf mit langem Klinikaufenthalt hatte er hinter sich. Er kämpfte sich zurück ins Leben mit einer Teilzeitbeschäftigung und nun auch mit einer eigenen Familie. Ich glaubte, dass Liebe, Verständnis und Geduld ausreichen, um gemeinsam durch das Leben zu gehen. Was anfangs auch sehr gut begann, änderte sich mit den zunehmend unser Leben bestimmenden psychotischen Krankheitsbildern. In der DDR gab es noch viel weniger Informationen für Angehörige. Ein Versuch mit der behandelnden Ärztin über meine Probleme zu sprechen (Mein Mann hatte ausdrücklich sein Einverständnis gegeben.) endeten mit ihrer Aussage: „Wenn sie nicht klarkommen, lassen sie sich doch scheiden.“ Ich war sprachlos, nahm mit trotziger Haltung Abstand von Trennungsgedanken.
Irgendwie schafften wir Beide es, diese Auf und Ab der Gefühle auszuhalten. Manchmal war mir alles zu viel, ich war hilflos und weinte ich mich in den Schlaf. Viel Kraft gab uns unser Sohn. Er war der Sonnenschein in unserem Leben. Heute weiß ich, dass wir dem Kind eine große Verantwortung übertragen hatten.
Während eines Klinikaufenthaltes meines Mannes Anfang der Neunziger Jahre bekam ich über seine Psychotherapeutin Kontakt zum WEGE e.V. Sie war Mitbegründerin des Vereines. Das erste Gespräch mit einer Mutter, deren erwachsener Sohn unter einem ähnlichen Krankheitsbild litt, gab mir erstmals das Gefühl, nicht Alles falsch zu machen. Ich konnte meine Gefühle besser einordnen. Ich besuchte viele Veranstaltungen und lernte langsam die Krankheit zu begreifen. Auch wenn es immer wieder Situationen gab, in denen die Konflikte unserer Beziehung aufbrachen, hatte ich nun im Verein Menschen, mit denen ich dieses Schicksal teilen konnte. Schnell traute ich mir zu, Andere zu beraten. Später gründete ich mit zwei anderen Partnerinnen eine Selbsthilfegruppe für Partner*innen.
Aktive Selbsthilfe hat für mich immer auch eine positive Wirkung. Es ist nicht nur, dass ich etwas „Ehrenamtliches“ mache, sondern meine eigene psychische Stabilität gewinnt dadurch. Die Erkrankung meines Mannes hat meine Entwicklung im Leben stark geprägt. Und das meine ich nicht im negativen Sinn. Wichtig für mich ist die Geduld mit mir selbst geworden.
von Gudrun
Diese Geschichte wurde uns im Rahmen der bundesweiten Aktion „Angehörige machen Geschichte(n)“ zugesandt.
Kontakt: kontakt@angehoerige-im-mittelpunkt.de
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Interessant von Wege e.V. zu erfahren ! Ich kannte Euch bisher nicht.