ApK Bayern gegen Zentralregister für seelisch erkrankte Menschen, aber für bessere Behandlung von psychisch schwer erkrankten Menschen

München, 23. Januar 2025 – Der Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. (ApK Bayern) unterstützt die Haltung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), die strikt gegen eine Forderung nach einem Zentralregister für psychisch erkrankte Menschen ist. Denn nachweislich sind psychische Erkrankungen nicht grundsätzlich mit einem erhöhten Gewaltrisiko verknüpft. Vielmehr würde ein solches Register zu vermehrter Stigmatisierung und einer geringeren Behandlungsbereitschaft führen. Dabei ist die rechtzeitige und intensive Behandlung gerade bei schwerwiegenden psychischen Erkrankungen unbedingt notwendig, um lebensverändernde Folgen zu verhindern.

Fehlende Krankheitseinsicht: Ein gravierendes und ungelöstes Problem

Manche psychischen Erkrankungen wie z. B. Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis1 haben das Potenzial, die Sicht für die Realität zu nehmen. Das psychotische Erleben (z. B. das Hören von Stimmen, Verfolgungswahn) kann so intensiv werden, dass die Betroffenen – durch die Krankheit bedingt – nicht mehr erkennen können, dass sie eine Behandlung benötigen. „Gerade Psychosen sollten möglichst schnell und koordiniert behandelt werden, um eine Chronifizierung zu verhindern“, erklärt Prof. Dr. med. Josef Bäuml, ehemaliger leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar der TU München. Er weiß um die belastende Situation der Angehörigen, die den gesundheitlichen Verfall, den sozialen Abstieg und die zunehmende Isolation der geliebten, aber schwer psychisch kranken Person oftmals völlig verzweifelt und hilflos miterleben müssen. Denn: Lehnt ein offensichtlich psychisch kranker Mensch eine Behandlung ab, greift zunächst das Recht auf Selbstbestimmung. Eine Behandlung gegen den eigenen Willen wäre in diesem Falle nur dann möglich, wenn eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt (z. B. nimmt keine Nahrung mehr zu sich, Gewaltandrohung). Langfristige Gefährdungen wie Obdachlosigkeit oder körperliche und seelische Verwahrlosung zählen daher nicht dazu – belasten jedoch die Betroffenen und ihre Angehörigen gleichermaßen und können Leben und ganze Familien zerstören. „Die langfristigen Folgen einer unbehandelten und schwerwiegenden psychischen Erkrankung werden rechtlich leider nicht berücksichtigt“, erläutert Karl Heinz Möhrmann, Mitglied des ApK Bayern Vorstands und selbst viele Jahre Angehöriger einer psychisch erkrankten Frau. „Stattdessen fallen diese Menschen durch das psychiatrische Hilfesystem. Die einzigen, die dann noch da sind und wirklich helfen wollten, sind die Angehörigen. Jedoch ohne entsprechende Handhabe“.

Mehr Zeit und Zuwendung bei schwer psychisch erkrankten Menschen

Doch welche Möglichkeiten gibt es, diesem Personenkreis zu helfen? In vielen Fällen sind die Faktoren Zeit und Mensch entscheidend. „Am schlimmsten ist es, wenn Angehörige nach vielen Wochen oder Monaten der Überredung es endlich doch geschafft haben, den Betroffenen zu einem Klinikaufenthalt zu bewegen – die Klinik ihn jedoch am nächsten Tag wieder entlässt, weil eine Behandlung abgelehnt wurde. Da kann man vom Glauben abfallen!“, berichtet Herr Möhrmann und weist auf ein tatsächlich sehr häufig vorkommendes Phänomen hin. „Die Psychiatrie und ihre Mitarbeiter sind häufig das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht, ob ein Patient sich auf den Versuch einer Therapie einlässt oder nicht. Hierzu ist jedoch Zeit und Zuwendung sowie eine klare und proaktive Haltung gegenüber einer Behandlung nötig.“, erklärt Prof. Bäuml.

Häufig entsteht bei Angehörigen und Betroffenen der Eindruck, dass „schwierige“ Patienten in psychiatrischen Einrichtungen nicht gerne gesehen werden und eine Entlassung „auf eigenen Wunsch“ eher dankbar angenommen wird. Deshalb wäre hier bereits ein erster Lösungsansatz zu suchen.

Behandlung zur Prävention von potenziellen Straftaten

Dies könnte auch der zunehmenden „Forensifizierung“2 entgegenwirken und potenzielle Gewalttaten verhindern. Denn in vielen Einrichtungen des Maßregelvollzugs befinden sich  psychisch erkrankte Menschen, die zum Zeitpunkt der Tat nicht oder unzureichend behandelt waren. „Ein präventives Vorgehen und eine frühzeitige Behandlung hätte sicherlich vielen Patienten den Aufenthalt im Maßregelvollzug ersparen und mögliche Straftaten verhindern können. Dazu braucht es aber vor allem mehr Ressourcen und Befugnisse, insbesondere die offensive Einbeziehung der Angehörigen, um bei drohender Gefahr rechtzeitig intervenieren zu können“, betont Prof. Bäuml.

Tatsächlich gibt es in allen Bezirken Bayerns Präventionsstellen3, die für psychisch kranke Menschen mit einem erhöhten Risiko für Gewalthandlungen ein spezifisches Vorsorgeangebot bereithalten. Das begrüßenswerte ambulante Angebot ist jedoch auf freiwilliger Basis und setzt bereits eine Krankheitseinsicht bei den Betroffenen voraus.

„Um diesem speziellen Kreis von psychisch erkrankten Personen dauerhaft helfen zu können, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Medizin, Sozialpsychiatrie und Rechtsprechung von Nöten und erfordert notwendige Reformen und angepasste Strukturen“, fasst Herr Möhrmann zusammen, „und dafür werden wir uns auch in den nächsten Jahren stark machen.“

Quellen:

1Vgl. „Psychose“, DocCheck Flexikon
2Vgl. „Ein Revival der Forensifizierung? Die aktuelle Entwicklung des Maßregelvollzugs nach § 63 StGB“, Recht und Psychiatrie, Oktober 2023
3Vgl. Präventionsstellen, Landesbehörde Zentrum Bayern Familie und Soziales

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Pressekontakt

Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (ApK Bayern)

Cordula Falk
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