Verbände der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen warnen vor Folgen von Cannabis-Legalisierung: Cannabis kann Psychosen auslösen und das Leben junger Menschen zerstören

Gemeinsames Positionspapier
der Landesverbände Angehöriger psychisch erkrankter Menschen
Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und der Landesarbeitsgemeinschaft Angehörige Psychiatrie Brandenburg zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland

Verbände der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen warnen vor Folgen von Cannabis-Legalisierung: Cannabis kann Psychosen auslösen und das Leben junger Menschen zerstören

Der intensive Konsum von Cannabis birgt hohe Risiken für die psychische Gesundheit. Insbesondere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind gefährdet, vermehrt an Psychosen zu erkranken. In nicht wenigen Fällen irreversibel. Daher möchte ein Verbund aus Landesverbänden von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen mit diesem Positionspapier auf die schwerwiegenden Gefahren einer möglichen Cannabis-Legalisierung hinweisen und die politischen Entscheider dazu aufrufen, vulnerable Gruppen unserer Gesellschaft vor diesen Gefahren konkret zu schützen.

Ein intensiver und früher Cannabiskonsum birgt viele gesundheitliche Risiken. Eine der schlimmsten möglichen Folgen ist die Entwicklung einer Psychose – einer häufig chronischen oder in Schüben verlaufenden, psychischen Erkrankung, die u. a. mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen einhergeht. Das Risiko, durch einen Cannabiskonsum an einer Psychose zu erkranken, ist um das 2 – 3,4-fache1 erhöht. Die Zahlen einer neuen Studie2 ließen zudem vermuten, dass ein Fünftel der Fälle von Schizophrenie3, welche mit psychotischen Symptomen einhergehen, bei jungen Männern durch das Verhindern einer Cannabiskonsumstörung hätte vermieden werden können. Dabei ist auch die Wirkstoffmenge (THC) entscheidend – je höher der Wirkstoffgehalt4, desto höher das Risiko für eine Psychose. Viele Experten und Fachleute5 gehen davon aus, dass sich die Erkrankungszahlen nach der Legalisierung von Cannabis nochmals deutlich erhöhen werden und warnen auch vor anderen gesundheitlichen Folgen wie einer verstärkten Abhängigkeit.

Eine Psychose ist kein „Schnupfen“
Trotz der Kenntnis dieser und vieler anderer alarmierender Zahlen werden die Legalisierungs-bemühungen seitens der Bundesregierung weiter vorangetrieben. „Man möchte fast meinen, Politik und Gesellschaft nehmen die „Opfer“ dieses Vorhabens billigend in Kauf!“, sagt Karl Heinz Möhrmann, Vorstandsmitglied des Landesverbands Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (ApK Bayern) und selbst erfahrener Angehöriger. „Viele junge Menschen unterschätzen die lebensverändernden Folgen eines Cannabiskonsums. Sie glauben, eine Psychose ginge, wie ein Schupfen, wieder weg. Dem ist aber so nicht!“, betont Möhrmann. „Zwei Drittel der auftretenden Psychosen verlaufen entweder in Schüben oder werden chronisch! Junge, eben noch gesunde Menschen, werden mit voller Wucht einem Großteil ihrer Selbstständigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten beraubt. Sie leben bei ihren Familien oder in speziellen Einrichtungen, müssen teilweise ein Leben lang Medikamente nehmen. Für die Betroffenen selbst als auch für die Angehörigen ist dies häufig ein schwerer Einschnitt in die eigene Lebensplanung. So etwas wünscht man niemandem!“, ergänzt Möhrmann weiter.

Verlust von kognitiven Fähigkeiten bis hin zur geistigen Behinderung
Häufig erkranken junge Menschen zwischen Mitte der Pubertät bis Mitte 30. Der Erkrankungs-
höhepunkt liegt um das 20. Lebensjahr6 herum, also ein Alter, in dem es laut den aktuellen Cannabis-Legalisierungsvorhaben möglich sein wird, uneingeschränkt Zugriff auf Cannabis zu erhalten. Dabei ist zu diesem Zeitpunkt das Gehirn noch nicht vollends entwickelt, was bei einem Cannabiskonsum zu anhaltenden Störungen der Hirnfunktionen führen kann7. „Tragischerweise liegt den meisten psychotischen Erkrankungen ohnehin eine Verzögerung der Hirnreifung zugrunde, die zu den bekannten Störungen der Informationsverarbeitung mit einer Entwicklung von Wahn und Halluzinationen beiträgt. Da die davon Betroffenen dank des Cannabiskonsums zunächst eine gewisse Entspannung durch die initial beruhigende Wirkung von THC empfinden, würden sie bei einer leichteren Zugänglichkeit von Cannabis in doppelter Hinsicht gefährdet.“, gibt Prof. Dr. med. Josef Bäuml von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar der TU München zu bedenken. Auch Dr. med. Tatjana Tafese, Kinder- und Jugendärztin und Psychotherapeutin sowie Mitglied des Vorstandsteams der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen Landesverband Hamburg e. V. (LApK Hamburg), zeigt sich besorgt wegen den vielfältigen möglichen Schäden durch einen Cannabiskonsum bei jungen Menschen und verweist auf die Ergebnisse der erst kürzlich abgehaltenen Fachtagung des DZSKJ (Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters) in Hamburg: „Neben den teilweise Leben zerstörenden schweren psychischen Erkrankungen ist auch der Verlust kognitiver Fähigkeiten äußerst besorgniserregend. So kann es zu Intelligenzverlusten bis hin zur Lernbehinderung und sogar geistigen Behinderung kommen! In einer Zeit, in der immer mehr junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen, ist das unbedingt zu verhindern!“.

Auch wird Cannabis bereits in hohem Maße konsumiert, ohne dass es frei verkäuflich wäre. Ein häufig verwendetes Argument der Cannabisbefürworter ist, dass eine Legalisierung von Cannabis den Schwarzmarkt austrocknen könne. Der Jahresbericht 20228 des UN-Drogenkontrollrats jedoch zeigte, dass der Cannabis-Schwarzmarkt in allen legalisierenden Ländern weiterhin hoch ist und in Kanada 40 Prozent, in Uruguay fast 50 Prozent und in Kalifornien sogar 75 Prozent erreicht. Zwar möchte die Bundesregierung eine mögliche Cannabislegalisierung von Präventions- und Aufklärungsprogrammen begleiten. Jedoch konnten ähnliche Kampagnen bei Alkohol und Zigaretten nicht dazu führen, dass diese, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, weniger konsumiert werden. Im Gegenteil: Ergebnisse einer Umfrage9 von Dezember 2022 zeigen, dass sich die Zahl der rauchenden 14- bis 17-jährigen in einem Jahr fast verdoppelt hat, und das, obwohl dieser Altersgruppe noch gar keine Tabakprodukte verkauft werden dürfen.

Ganz offensichtlich können derlei Bemühungen Kinder und Jugendliche weder erreichen, noch scheinen Altershürden beim Verkauf von Zigaretten und Alkohol davon abzuhalten, dass diese vulnerable Gruppe von Menschen in unserer Gesellschaft beides trotzdem regelmäßig konsumiert. Eine Legalisierung würde unter den aktuell geplanten Bedingungen eher zu einer Erhöhung des Angebots und einer Verharmlosung der Droge führen und damit verstärkt Anreize und Möglichkeiten für junge Menschen schaffen, Cannabis zu sich zu nehmen.
„Um Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene vor Cannabiskonsum und seinen möglichen schweren Folgen zu schützen, können keine halbherzigen Alibiwege beschritten werden. Es müssen schlüssige und konsequent nachverfolgbare Maßnahmen entwickelt werden, die junge Menschen in unserer Gesellschaft vor einem zu frühen Konsum effektiv schützen. Am besten schon heute!“, fasst Möhrmann zusammen.

Forderungen
Die Landesverbände Angehöriger psychisch erkrankter Menschen Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und die Landesarbeitsgemeinschaft Angehörige Psychiatrie Brandenburg fordern daher die Regierung auf,


» bei einer Legalisierung von Cannabis mit einem schlüssigen Konzept absolut sicher zu stellen, dass Cannabis nicht an Minderjährige weitergegeben werden kann. Auch nicht über Dritte.

» den Verkauf von Cannabis, entsprechend der Expertenmeinungen10, erst an Menschen ab dem 25. Lebensjahr zu ermöglichen, um die psychischen gesundheitlichen Risiken durch eine mögliche noch nicht abgeschlossenen Hirnreifung zu minimieren.

» nachvollziehbar wirksame Präventions- und Aufklärungsprogramme, nicht nur für Cannabis, an Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen zu installieren, die einen sichtbaren Effekt auf das Konsumverhalten haben, und Kinder und Jugendliche langfristig vor Suchterkrankungen schützen.

Das Fazit von Karl Heinz Möhrmann: „Noch besser wäre es, wenn man von einer Legalisierung absehen und stattdessen vorhandene Ressourcen dazu nutzen würde, die bestehenden Drogenprobleme in den Griff zu bekommen. Dies würde vermutlich vielen jungen Menschen zugutekommen, die bereits jetzt die Verlierer des Cannabiskonsums sind.“

Quellen:

  • 1 Vgl. „Cannabis – Potenzial und Risiko – Eine Wissenschaftliche Bestandsaufnahme“, 2019 (Springer Verlag)
  • 2 Vgl. Hjorthøj, C., Compton, W., Starzer, M., Nordholm, D., Einstein, E., Erlangsen, A., Han, B. (2023). Association between cannabis use disorder and schizophrenia stronger in young males than in females. Psychological Medicine, 1-7. doi:10.1017/S0033291723000880
  • 3 Psychose ist ein Oberbegriff für psychische Erkrankungen, bei denen die Betroffenen den Bezug zur Realität verlieren. Schizophrenie ist eine der Erkrankungen, die mit Psychosen einhergehen können. Etwa die Hälfte der Patienten mit Cannabis-induzierter Psychose entwickeln eine Schizophrenie (Niemi-Pynttäri et al. J Clin Psychiatry. 2013)
  • 4 Vgl. Marta Di Forti et al. (2019). The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI): A multicentre case-control study. Lancet Psychiatry, doi:10.1016/S2215-0366(19)30048-3
  • 5 Vgl. „Kiffen verantwortlich für jede dritte Psychose bei jungen Männern?“, 2023 (Spektrum.de)
  • Vgl.„Cannabis-Legalisierung: Prävention und Jugendschutz sind nicht verhandelbar“ (DGPPN)
  • 6 Vgl. „Schizophrenie: Warnsignale erkennen“, 2022 (Österreichische Ärztezeitung)
  • 7 Vgl. „Cannabiskonsum in jungen Jahren stört die Gehirnentwicklung“, 2022 (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen – bvkj)
  • 8 Vgl. „Report 2022“, 2023 (International Narcotics Control Board), S. 15, Absatz 99
  • 9 Vgl. „Factsheet 9“, 2022 (Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA)
  • 10 Vgl. Klein F, Schmid R. Neurologe fordert: „Cannabis erst ab 25 Jahren!“ Pädiatrie. (2022);34(4):50. German. doi:10.1007/s15014-022-4100-7

>> Pressemeldung zum Download (PDF)

Pressekontakt:

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E-Mail: falk@lapk-bayern.de

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(LV BW ApK)
Hölzlestraße 31 | 72336 Balingen
Tel.: 07433-937 23 22
E-Mail: kontakt@lvbwapk.de
Website: www.lvbwapk.de

Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (ApK Bayern)
Pappenheimstraße 7 | 80335 München
Tel.: 089-510 86 32 5
E-Mail: info@lapk-bayern.de
Website: www.lapk-bayern.de

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Tel.: 040-650 554 93
E-Mail: kontakt@lapk-hamburg.de
Website: www.lapk-hamburg.de

Landesverband Nordrhein-Westfalen der Angehörigen psychisch Kranker e. V.
Gasselstiege 13 | 48159 Münster
Tel.: 0251-520 95 22
E-Mail: lv-nrw-apk@t-online.de
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